Und was verstehst du unter Heimat?
Orte der Erinnerung
Ich erinnere mich an einer öffentlichen Podiumsdisskusion zum Thema Heimat, die ca. zu Begin der globalen Finanzkrise in einer bayerischen Kleinstadt stattfand, als zur selben Zeit wegen der u.a. von den USA im Nahen Osten geführten Angriffskriege die Zahl der Kriegsflüchtlinge, sprich, der Menschen, die sich vor Krieg und den dadurch verursachten Kriegsfolgen zu retten versuchen, steil nach oben schoß. Ich erinnere mich, wie auf dieser Podiumsdisskusion die Gäste ‐ es waren wirklich nur seeehr wenige interessierte Bürger vor Ort ‐ gefragt wurden, was sie denn unter dem Begriff Heimat verstünden. Wie nicht anders zu erwarten kamen dabei, trotz dieser seeehr kleinen Runde, unterschiedlichste Antworten und Ansichten heraus. Eingeladene Gäste der “Talkrunde” waren u.a. eine Europaabgeordnete der Grünen, irgend ein FDP-Clown und … hmhmmm …. An die restlichen Darsteller der Podiumstruppe kann ich mich nicht erinnern, was auch nicht weiter wichtig ist. Meine Antwort auf die Frage zum Verständis des Heimatbegriffs war in etwa folgendermaßen: Heimat ist kein statischer unveränderlicher Ort, kein Fixpunkt. Es ist vielmehr ein Gefühl, es sind die Erinnerungen, Bilder, Klänge, Gerüche, Gefühle, eben die gesammelten Eindrücke, die man mit diesem Ort bzw. diesen Orten verbindet. Dabei handelt es sich i.d.R. um ein recht überschaubares geografisches Terrain, z.B. um ein Viertel einer Stadt. Lebensläufe, häufige Umzüge oder auch körperliche und kognitive Einschränkungen spielten für das Heimat-Verständnis womöglich eine ebenso prägende Rolle. Außerdem kann sich das Gefühl der Heimatverbundenheit durch Migration, Krankheit, Flucht und Vertreibung, Krieg und Zerstörung, Liebe und Eroberung etc. pp. auch sehr schnell wandeln. Zum Begriff Heimat ließen sich sicher viele Bücher schreiben, die mehrere Bibliotheken füllen. Der Begriff Heimat ähnelt somit Begriffen wie Liebe, Freiheit, sozial, Gerechtigkeit und vielen anderen Worten, deren Bedeutung im Laufe der Zeit ebenfalls einem Wandel unterworfen sind.
Eine weitere Frage, wo denn derzeit die größten Gefahren für die Demokratien, den Weltfrieden und überhaupt lauern würden, wurde nicht den Besuchern, also den potentiellen Wählern, sondern nur den Podiumsteilnehmern gestellt, schließlich sollen derartige Shows ja vor allem der Öffentlichkeitsarbeit der Veranstalter, sprich Parteien, Gewerkschaften und deren Personal dienen. Nichtsdestotrotz murmelte ich, ungefragt, aber reflexartig und laut genug aus der zweiten Reihe, damit es die Polit-Darsteller auch ja hören können ‐ dem Finanzsystem! ‐ der US-geführten weltweiten Angrieffskriege!. Es folgten zwar ein paar mißbilligende oder vielmehr klarstellende Blicke, daß wir nur die Zuhörerstaffage seien, aber dennoch nahm die Europaabgeordnete diese Wortknochen sofort auf und betonte ebenfalls mit klaren Worten, daß die derzeitig größten Gefahren für die Zukunft von Demokratien, aber auch den Weltfrieden, eindeutig von den deregulierten Finanzmärkten, beginndend mit Goldman Sachs & Co. und den USA mit ihren völkerrechtswidrigen Kriegen ausgehe.
Mir ging der Gedanke durch den Kopf, hier hätten sich zwei Fremde mit einer ähnlichen politischen Heimat getroffen. Oder konnten und vor allem wollten all die anderen Anwesenden diese wirtschaftspolitischen Zusammenhänge einfach nicht sehen, nicht erkennen. Tja, Bildung, wirtschaftlicher Erfolg und Freiheit sind keine Garanten für eine sichere Zukunft. Die vielzitierte Eigenverantwortung sollte beim Denken nicht halt machen.